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Der Diesel-Pkw wird 75 Jahre alt
Von Sascha Kröschel | 17.Februar 2011
Auch in 20 Jahren wird im Pkw der Dieselantrieb noch zu den wichtigsten Antriebsformen zählen. Bosch, einer der weltweit führenden Anbieter von Dieselsystemen, stützt seine Prognose auf das enorme Entwicklungspotenzial des Selbstzünders: Der Kraftstoffbedarf und die Emissionen werden auch in Zukunft weiter reduziert. Die Entwickler von Bosch Diesel Systems rechnen bereits für 2015 mit einem Verbrauch von lediglich 3,6 Litern Kraftstoff pro 100 Kilometer bei einem Diesel-Pkw der Kompaktklasse.
Die konsequente Weiterentwicklung des Dieselmotors für Kraftfahrzeuge hat in der 125-jährigen Unternehmensgeschichte von Bosch eine lange Tradition. Das schwäbische Unternehmen lieferte vor 75 Jahren die Einspritztechnik für den weltweit ersten Dieselantrieb in einem Pkw.Der Unternehmensgründer Robert Bosch selbst gab 1922 den Entwicklungsauftrag für die Dieseleinspritzpumpe – zunächst für den Einsatz in Lastwagen. So erschien bereits 1924 der erste serienmäßige dieselgetriebene Lkw in Deutschland und 1927 startete die Produktion der Diesel-Einspritztechnik in Großserie. Damit begründete Bosch den Siegeszug des Dieselmotors im Straßenverkehr, der bis heute anhält.
1936 bis 2011: 75 Jahre Diesel-Innovationen im Pkw
In den 30er Jahren plante Daimler-Benz, den Dieselmotor mit Bosch-Einspritzung auch im Pkw anzubieten. Der erste serienmäßige Diesel-Pkw der Welt, ein Mercedes-Benz 260 D, feierte 1936 auf der Berliner Automobilausstellung seine Premiere. Er verbrauchte ein Drittel weniger Kraftstoff als ein gleich starker Benziner. Der Verkaufserfolg blieb vorerst moderat, da Leistung und Laufkultur damals noch nicht mit Benzinmotoren mithalten konnten. Dennoch war ein wichtiger Schritt getan und in der Nachkriegszeit stieg die Bedeutung des Dieselmotors auch im Pkw kontinuierlich. Im Jahr 1950 hatte Bosch bereits eine Million Dieselpumpen für Pkw und Lkw hergestellt. Pkw mit Selbstzünder erfreuten sich aufgrund ihrer Wirtschaftlichkeit vor allem im harten Taxi-Einsatz immer größerer Beliebtheit. Bosch setzte schon damals auf Systemkompetenz und lieferte zu den Einspritzpumpen exakt abgestimmte Komponenten wie Kraftstoffpumpen, Kraftstofffilter, Einspritzdüsen und Glühkerzen.
Schon 1960 stellte Bosch die erste sogenannte Verteilerpumpe vor. Sie war leichter und kompakter als die bisherigen Reihenpumpen und ebnete den Weg für den Dieseleinsatz in kleineren Pkw. Die verantwortlichen Entwickler in Stuttgart hatten frühzeitig einen Trend erkannt, der sich erst Mitte der 70er Jahre zu einem regelrechten Dieselboom entwickelte. Auslöser war der VW Golf Diesel. Er war 1975 der erste Selbstzünder der Kompaktklasse mit einem sogenannten schnell laufenden Dieselmotor, der dank Bosch-Verteilereinspritzpumpe drehfreudig und gleichzeitig sparsam war. Mit Turbo-Aufladung und rasanter Optik erlangte dieses Fahrzeug in der Version Golf „GTD“ später Kult-Status als erster sportlicher Diesel-Pkw. Europaweit folgten alle großen Hersteller mit Selbstzündern in der „Golf-Klasse“. Basis für den Erfolg bildete die Bosch-Verteilerpumpe, die in zahlreichen Volumenmodellen zum Einsatz kam.
Mitte der 80er Jahre begann bei den Selbstzündern das elektronische Zeitalter. 1986 brachte Bosch die ersten elektronischen Regelsysteme für seine Verteiler- und Reihenpumpen auf den Markt. BMW setzte 1987 elektronisch geregelte Verteilerpumpen als einer der ersten Automobilhersteller ein. „Freude am Fahren“ war nun auch mit dem ersten Turbodiesel des Münchner Unternehmens möglich, der im Sechszylinder 524 td – dem damals schnellsten Seriendiesel-Pkw der Welt – angeboten wurde. 1989 revolutionierte die erste Axialkolbenpumpe für Diesel-Direkteinspritzung den Selbstzünder, die erstmals im Audi 100 TDI (Turbodiesel Direct Injection) zum Einsatz kam. Die neue Bosch-Technik erlaubte es, den Dieseltreibstoff mit einem hohen Druck von ca. 1 000 bar direkt in den Zylinder einzuspritzen, was eine besonders effiziente Verbrennung zur Folge hatte. Das Ergebnis: eine deutlich bessere Leistungsausbeute und Laufkultur bei niedrigen Verbrauchs- und Emissionswerten. Die Direkteinspritzung setzte sich wenige Jahre später als Standard bei Pkw- und Lkw-Dieselmotoren durch. Ende der 90er Jahre erfuhr die Verbreitung des Diesels wieder einen bedeutenden Schub mit der Entwicklung von drei weiteren, unterschiedlichen Hochdruck-Einspritztechniken: der Radialkolben-Verteilerpumpe (1996), dem Common-Rail-System (1997)und der Pumpe-Düse-Technik (auch „Unit Injector“, 1998), die zum Beispiel im 3-Liter-Lupo von Volkswagen zum Einsatz kam.
Common-Rail: Einspritztechnik des 21. Jahrhunderts
Aus allen Alternativen der späten 90er Jahre setzte sich letztendlich die Common-Rail-Einspritztechnik als führend durch. Bosch fertigte bereits ein Jahr nach deren Einführung das einmillionste System. Im Jahr 2000 waren es schon drei Millionen. Als erste Fahrzeuge nutzten ab 1997 der Mercedes-Benz 220 CDI und der Alfa Romeo 156 JTD diese Innovation, bei der in einer gemeinsamen Versorgungsleiste („Common Rail“) ein konstant hoher Einspritzdruck von bis zu 1 350 bar für alle Zylinder einer Reihe gespeichert ist. Mit dem Common-Rail-System ließen sich erstmals Mehrfacheinspritzungen realisieren. 2003 stellte Bosch die dritte Generation der Common-Rail-Einspritzung mit Piezo-Inline-Injektoren vor. Gegenüber seinen Vorgängern senkt dieses System nochmals den Kraftstoffverbrauch sowie die Abgasemissionen des Dieselmotors und reduziert dessen Laufgeräusche. 2005 verlieh der deutsche Bundespräsident den Bosch-Experten für diese Entwicklung den Deutschen Zukunftspreis. Bis heute wurden über 66 Millionen Motoren mit Common-Rail-Systemen von Bosch ausgestattet.
Der Diesel im Kampf um Sekunden
Zur Zeit der ersten großen Dieselwelle Mitte der 70er Jahre erkannten alle führenden europäischen Automobilhersteller die Zeichen der Zeit und boten Dieselaggregate in Serienfahrzeugen an. Unterschiedliche Diesel-Prototypen sollten die Alltagstauglichkeit des Selbstzünders unter Beweis stellen. Während Opel 1972 mit einem dieselgetriebenen Opel GT-Versuchsfahrzeug 20 internationale und zwei absolute Weltrekorde für Autos aller Kategorien brach, sorgte Mercedes 1978 mit dem C111-III weltweit für Furore. Der Dieselpionier sicherte sich im italienischen Nardo neun Geschwindigkeitsweltrekorde, die Spitzengeschwindigkeit dieses auch optisch eindrucksvollen Prototyps wurde mit 338 km/h gemessen, die Durchschnittsgeschwindigkeit mit 325 km/h. Basis für den Erfolg war der 3-Liter-Fünfzylinder aus dem damals neuen Mercedes-Benz 300 D. Knapp 30 Jahre später setzte sich der Dieselantrieb mithilfe der Bosch-Common-Rail-Einspritztechnik auch in den Le-Mans-Rennwagen von Audi und Peugeot durch. Zuverlässigkeit und Belastbarkeit sind dabei nur zwei wertvolle Eigenschaften, die Audi und Bosch bereits vier Mal zum Gesamtsieg bei dem traditionsreichen Wettkampf führten. Der entscheidende Vorteil ist der deutlich geringere Verbrauch, der bei diesem härtesten Langstreckenrennen der Welt auch längere Einsätze für Fahrer, weniger Tankstopps und damit einen bedeutenden Zeitvorsprung vor der benzinbetriebenen Konkurrenz ermöglicht.
Der Dieselmotor erobert die Weltmärkte
Die Bosch-Common-Rail-Technik verstärkte Anfang des neuen Jahrtausends nochmals den Dieselboom. Während 1997 noch 22 Prozent aller in Westeuropa verkauften Pkw Selbstzünder waren, stieg diese Zahl 2006 bereits auf über 50 Prozent. Für den technischen Fortschritt birgt die Common-Rail-Technik noch viel Potenzial, selbst die strengsten Abgaslimits im US-Bundesstaat Kalifornien lassen sich damit erfüllen. In den vergangenen Jahren haben mehrere europäische, amerikanische und asiatische Hersteller in den USA eine massive Dieseloffensive gestartet. Mit Audi und BMW setzen neben Mercedes-Benz zwei weitere Premiumanbieter in den USA verstärkt auf den Dieselantrieb. Bosch rechnet damit, dass in den USA der Dieselanteil von derzeit fünf Prozent auf rund zehn Prozent im Jahr 2015 wachsen wird. Noch schneller könnte sich der „Clean Diesel“ in den asiatischen Schwellenländern durchsetzen, da sich die dort verlangten Abgaswerte nur mit Hochdruck-Direkteinspritzung erfüllen lassen. Heute setzt Bosch in Indien und China zusammen gut eine Million Common-Rail-Systeme ab.
Besserer Wirkungsgrad fĂĽr sparsame, umweltschonende Dieselmotoren
Die Auflagen zur Verbrauchssenkung sind in den letzten Jahren weiter deutlich verschärft worden, da beim Übergang von der Euro-5- auf die Euro-6-Abgasnorm zugleich die NOX-Emissionen mehr als halbiert werden müssen. Hierfür steigern die Bosch-Entwickler die Abgasrückführraten, die Ladedrücke für die Verbrennungsluft und die Einspritzdrücke in weiten Teilen des Motorkennfeldes und erreichen damit eine stickoxidarme Verbrennung. Zudem nutzen die Ingenieure die Abgasnachbehandlung, um den Wirkungsgrad des Dieselmotors weiter zu verbessern. Dazu haben Bosch-Entwickler die bereits im Nutzfahrzeugbereich bewährte zur SCR-Denoxierung (Selective Catalytic Reduction) an die Anforderungen im Pkw angepasst. Erste Dieselautos werden seit 2009 mit dieser Technik speziell für die besonders strenge Abgasgesetzgebung in den USA ausgerüstet und sind nun auch in Europa als Euro-6-Fahrzeuge verfügbar. Zur Erfüllung strengerer Emissionsgrenzwerte und um Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen noch weiter zu reduzieren, entwickelt Bosch derzeit Einspritzsysteme mit mehr als 2 000 bar, was einer Last von zwei Tonnen auf einem Quadratzentimeter entspricht. Bei Piezo-Injektoren, die bis zu acht Einspritzungen pro Arbeitshub erlauben, liegt die Einspritzzeit mittlerweile unter einer Millisekunde, da mit mehr als zweifacher Schallgeschwindigkeit eingespritzt wird.
Meilensteine 75 Jahre Diesel im Pkw
1921
Erste Versuche zur Dieseleinspritzung mit Bosch-Ă–lern
1922
Offizieller Entwicklungsstart Dieseleinspritzung
1923
Erste Prototypen von Dieseleinspritzpumpen
1927
Serienfertigung von Einspritzpumpen und DĂĽsen fĂĽr Nutzfahrzeuge
1930
10 000ste Dieseleinspritzpumpe
1931
Regler fĂĽr Einspritzpumpen
1934
Pneumatischer Einspritzpumpenregler
1934
100 000ste Dieseleinspritzpumpe
1936
Start der Dieseleinspritzung fĂĽr Personenwagen (Pkw)
1950
1 000 000ste Dieseleinspritzpumpe
1960
Erste Verteilerpumpe (Typ VM)
1975
Verteilerpumpe VE
1986
Elektronische Dieselregelung EDC fĂĽr Verteilerpumpe
1987
Elektronische Dieselregelung EDC fĂĽr Reihenpumpe
1989
Axialkolben-Verteilerpumpe VP37 fĂĽr Direkteinspritzung im Pkw
1996
Radialkolben-Verteilerpumpe VP44
1997
Beginn der Serienfertigung der Hochdruckpumpe CP1 im Werk Bari/Italien
Beginn der Injektorenfertigung CRI1 in Bamberg
Einspritzdruck: bis 1 350 bar
1998
Unit Injector (Pumpe-DĂĽse-Einheit) fĂĽr Personenwagen
1998
Auszeichnung von Bosch und Fiat mit dem „Paul-Pietsch-Preis“ für das Common-Rail-System als wegweisende technische Innovation
1999
Eine Million Common-Rail-Systeme produziert
2001
Zweite Generation Common Rail fĂĽr Pkw
Einspritzdruck: bis 1 600 bar
2001
Produktion von Common-Rail-Komponenten in Charleston/USA
2002
Zehn Millionen Common-Rail-Systeme produziert
2003
Common Rail fĂĽr Pkw, 3. Generation mit Piezo-Injektoren
Einspritzdruck: bis 1 800 bar
2005
„Deutscher Zukunftspreis“ für die Entwicklung von Piezo-Injektoren für Diesel-Einspritzsysteme
2005
Produktionsstart fĂĽr Common-Rail-Komponenten in Nashik/Indien
2006
Mehr als 50 Prozent Dieselanteil in Westeuropa
2006
Le-Mans-Sieg des Audi R10 TDI mit Dieselmotor und Bosch-Einspritztechnik. Weitere Le-Mans-Siege in 2007, 2008 und 2010
2007
Weltweit erstes 2 000 bar Einspritzsystem von Bosch
2008
Bosch Denoxtronic zur Abgasreinigung in Diesel-Pkw und Auszeichnung mit dem Umweltpreis „Öko-Globe“ in der Kategorie „Zulieferer-Innovation“
2008
PSA Peugeot Citroën und die Robert Bosch GmbH schließen ein strategisches Partnerschaftsabkommen für die Entwicklung der Diesel-Hybridtechnik
2009
50 Millionen Common-Rail-Systeme bei Bosch gefertigt
2009
Erste Euro-6-Fahrzeuge im Markt sind Clean Diesel (5 Jahre vor Euro-6-Pflicht)
2011
Erster Diesel-Hybrid mit Bosch bei PSA Peugeot Citroën in Serie
Topics: Werkstatt |
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